Copyright: Text und Fotos Sabine Bengtsson / Mai 2014
Mitte Mai ist für Norddeutschland ein schönes und warmes Wochenende angekündigt. Blöd nur, das wir davon nicht viel mitbekommen werden. Denn wir werden uns mit 6 Teilnehmern in der Lausitz 3 Tage den wilden Wölfen widmen. Und in der Lausitz ist Regen angekündigt und nicht so viel Wärme.
Aber was solls, als echter Naturmensch ist man darauf vorbereitet und läßt sich schon gleich gar nicht von schlechtem Wetter abhalten und erst recht nicht, wenn es um Wölfe geht :-)
Also packe ich meinen Rucksack wie üblich im Zwiebelprinzip um auf alles vorbereitet zu sein, imprägniere noch zusätzlich meine Wanderschuhe und nehme zur Sicherheit ein zweites Paar Regenhose und Jacke mit. Man weiß ja nie, ob vielleicht jemand anderes es brauchen kann. Wie richtig ich damit liege zeigt sich dann später…
Bis auf ein Pärchen sind alle pünktlich angekommen, die letzten Beiden müssen sich noch durch einen Stau quälen und werden ca. 2 Stunden später ankommen.
Wir nutzen die Gelegenheit schon einmal zu einer kleinen Wanderung rund um die Pension. Sie liegt mitten im Wolfsgebiet und genau gegenüber an einem Sportplatz haben die Wolfsbiologen schon Wölfe nach Mäusen jagen sehen. Freilich ist es eher wie ein Lottogewinn Wölfe zu Gesicht zu bekommen, aber genauso wie es viele Lottogewinner gibt, kommt es auch immer wieder vor Wölfe zu sehen. Erst vor einigen Wochen konnte eine Praktikantin zusammen mit der Wolfsbiologin am Tage Wölfe auf einer Lichtung beobachten und ein Photo machen.
Die Teilnehmer haben unterschiedliche Interessen, es sind zwei Jäger dabei die sich für das Verhalten der Wölfe interessieren und generell mehr über sie lernen möchten, da auch in ihrem Gebiet Wölfe dabei sind sich anzusiedeln. Beim Jagdschein wurde bisher der Wolf wenig behandelt, weil es keine Notwendigkeit gab. Doch wir haben immer mehr Zulauf von Jägern, die dem neutral bis positiv gegenüber stehen und sich weiterbilden möchten. Dann ist ein Tierspurenleser aus Holland dabei, der bisher aufgrund fehlender Wölfe in den Niederlanden keine Wolfsspuren finden konnte und der mehr darüber lernen möchte. Erhard unser ältester Teilnehmer mit 76 Jahren war lange im Naturschutz tätig und interessiert sich für Wölfe. Das verspätete Pärchen hat über Vorträge von mir Interesse bekommen.
Nachdem alle eingetroffen sind und ihre Zimmer bezogen haben, wäre normalerweise von Cati, sie ist Wolfsbiologin und freie Mitarbeiterin des Wildbiologischen Büro Lupus, das unter Leitung der bekanntesten Wolfsbiolgen Ilka Reinhardt und Gesa Kluth steht, ein aktueller Bericht zum derzeitigen Stand der Wölfe in Deutschland vorgesehen. Zusammen mit Stephan, der gemeinsam mit Cati als kompetenter und passionierter Naturführer und Wolfskenner, die Vorträge zu einem Erlebnis werden läßt. Doch dieses Mal haben sie eine Überraschung für uns. Es geht durch den Wald zu einer lauschigen Grillhütte und wir lassen den Abend gemütlich bei einem herrlichen Sonnenuntergang ausklingen. Auf dem Rückweg gehen wir durch den dunklen Wald und jeder hofft zu den Glücklichen zu gehören, einen Wolf zu sehen.
Am nächsten Morgen treffen sich die Teilnehmer, die Lust hatten sehr früh aufzustehen, um zu einem Platz zu gehen, an dem schon häufiger Wölfe gesehen wurden. Wir gehen leise durch den Wald und positionieren uns an einer Sandschneise. Ein Reh und ein Hase laufen herum und Jeroen und ich haben plötzlich einen sehr schnellen Schatten gesehen, der die Sandschneise überquerte. Jeroen war sich sicher das es ein Wolf war. Doch es ging so schnell. Auf dem Rückweg finden wir frische Wolfsspuren… war es also tatsächlich ein Wolf, den wir für Sekunden laufen sehen konnten?
Es gibt ein reichhaltiges Frühstück mit Eiern von glücklichen Hühnern, die im Garten der Pension wohnen und dann kommt der Auftritt von Stepahn im Rahmen eines Vortrages zur aktuellen Situation der Wölfe. Er zeigt unter anderem anschaulich die unterschiedlichen Fußfolgen im Schritt, Trab und Galopp von Vierbeinern. Während Bobby, sein Hund, der uns dies eigentlich besser demonstrieren sollte wie man auf 4 Beinen läuft, vorzieht den Vortrag zu verschlafen. :-) Nach soviel Input sind alle ganz heiß drauf raus zu gehen. Auf dem Programm steht auch, eine Fotofalle zu kontrollieren, die nur wenige Meter neben einer befahrenen Straße installiert ist.
Mit Regenkleidung im Gepäck machen wir uns auf den Weg. Es dauert nicht lange und die erste Losung ist zu bestaunen. Das man sich so über Hinterlassenschaften freuen kann ist für mich jedes Mal wieder ein Phänomen. Wäre lustig, wenn dies mal bei Hundekot in den Parks passiert. :-) Die Kameras klicken und Cati und Stephan geben uns ihr Fachwissen dazu weiter. Erstaunlich was man alles aus den Wolfslosungen lesen kann.
Auch Spuren finden wir. Cati ist eine der Wenigen, die an einem ganz besonderen Spurenleseseminar teilgenommen hat. Es wird von kanadischen und amerikanischen Spurlenleseexperten durchgeführt. Wenn man einmal damit beginnt sich dafür zu interssieren, kann man niemals mehr einfach so durch die Gegend laufen :-)
Spuren berichten aus dem Leben des Besitzers der Abdrücke, je detaillierter man sie betrachtet, umso besser kann man sie lesen und umso mehr kann man an einem kleinen Ausschnitt des Lebens dieses Tieres teilhaben. Unglaublich faszinierend und spannend.
Es beginnt zu regnen, so dass es ab jetzt schwierig wird noch Spuren zu finden. Nun kommen endlich meine Ersatzregensachen zum Einsatz. Eine Teilnehmerin hat trotz Ausrüstungscheckliste aufgrund des guten Wetters in Norddeutschland keine Regenhose mit und nur ein paar normale Lederschuhe. Mangelnde Ausrüstung kann sehr schnell auch die kleinste Wanderung zum scheitern bringen. Erstazschuhe habe ich für sie nicht dabei, dafür aber meine Regenhose. Die Ersatzschuhe, die sie am nächsten Tag verwendet, sind nicht zum Nachmachen empfohlen und sollte man eigentlich gar nicht zeigen, ich mach´s trotzdem, zur Abschreckung :-)
Knochenfunde, die Überreste einiger Risse, verraten uns, das wir nun an einem Platz sind, an dem öfters Wölfe vorbeischauen. Wir staunen nicht schlecht, als wir sehen wie dicht dieser Platz an einer stark befahrenen Strasse ist. Und eben dort hängt die Fotofalle.
Gleich vor Ort werten die Beiden die Aufnahmen aus. Ein Reh, ein Marderhund, ein Fuchs, eine neugierige Rotte Wildschweine, die direkt in die Kamera schauen und dann auch Wölfe!!! Ganz schön was los da an dem Platz.
Gleich zwei Wölfe haben vorbei geschaut und alles inspiziert vor der Fotofalle. Toll, es ist ein bißchen so als hätten wir sie live gesehen. Schließlich ist es noch nicht lange her, das sie da waren.
Danach fahren wir zum Aussichtsturm, der das ganze Ausmaß des Braunkohleabbaugebietes zeigt. Eine öde Wüste in der sich mit riesigen Schaufeln ein monsterartiges Gerät durch den Boden gräbt. Und es ist kaum zu glauben, aber auch dort haben die Wölfe ihr Jagdrevier. Wer danach immer noch meint, Wölfe benötigen Weite und Wildnis, wird hier eines besseren belehrt und versteht ein Stück besser, warum Wölfe so anpassungsfähig sind und ähnlich wie wir Menschen auch an den unwirklichsten Plätzen überleben können.
Wir fahren weiter zum Ehrlichthof nach Rietschen. Dort ist ein Wolfsmuseum und das Kontaktbüro „Wolfsregion Lausitz“. Es ist die offizielle Ansprechstelle zum Thema Wolf für die Bevölkerung und Medien in Sachsen und nimmt die Rolle der Öffentlichkeitsarbeit ein. Es arbeitet sehr eng mit dem Wildbiologischen Büro Lupus zusammen.
Wir wandern danach in einer Seenlandschaft in der auch eine Wolfsfamilie ihr Zuhause hat. Zum Glück haben sich durch die intensive Beobachtung wilder Wölfe unser Verständnis über das Zusammenleben der Wölfe gewandelt. Dachte man früher es gibt den Alphawolf und den armen Omegawolf, der der Prügelknabe im Rudel ist, so weiß man heute, das dies nur bei in Gefangenschaft gehaltenen Wölfen der Fall ist. Sie können nicht abwandern um eine eigene Familie zu gründen, sondern sie sind gezwungen da zu bleiben und so kommt es zu unvermeidlichen Auseinandersetzungen. In Freiheit lebende Wölfe kennen dies Verhalten nicht, sie sind sehr ähnlich strukturiert wie eine menschliche Familie; mit den Eltern, die die natürliche Autorität besitzen, den älteren Geschwistern, die auf die ganz Kleinen aufpassen, während die Eltern zur Jagd sind. Sebastian Körner, ein exzellenter Tierfilmer und Biologe, hat dies in fantastischen Wolfsdokumentationen festgehalten. Er lebt schon lange in der Lausitz und ist mit einer der beiden Wolfsbiologinnen aus dem Büro Lupus verheiratet.
Somit ändert sich glücklicherweise auch bei der Hunderziehhung so langsam einiges zum Wohl und besserem Verständnis dem Hund gegenüber. Denn die althergebrachte Art als Alphawesen „Mensch“ der den Hund dominieren muss um ihn beherrschen zu können, hat damit hoffentlich bald ausgedient.
Doch zurück zu den wilden Wölfen in der Lausitz. Wir sehen einen Fischadler, einige Wasservögel und auch viele Spuren von Ottern. Wölfe waren hier jedoch aktuell nicht.
Nach einem langen Tag stärken wir uns mit einem Essen in der Pension. Sie verwenden Gemüse, Wild und anderes Fleisch nur aus der Region. Abends kann jeder der möchte mitgehen zu einem Spätansitz. Er ist etwas höher gelegen und überdacht, so dass wir wetterunabhängig beobachten können. Er bietet eine fantastische Weitsicht in eine Landschaft von Seen mit weiten Grasflächen durchzogen.
Jeroen freut sich zu Tode, als lautschreiend Kraniche einfliegen um dort zu übernachten. Sie fliegen über Holland nur hinweg und daher sieht er sie nie aus der Nähe.
Ein Kiebitz läuft mit seinem erst wenige Tage alten Küken am Ufer des Sees herum. Als ein einzelner Kranich genau dort landet, zeigt der Kiebitz sehr deutlich was er davon hält. Zwar genervt, aber dennoch standhaft, bleibt der Kranich trozdem und „steht“ es im wahrsten Sinne des Wortes aus. Ein Wildschwein taucht auf und läßt sich längere Zeit gut beobachten.Da es so langsam dunkel wird, nützen unsere Spektive und Ferngläser nichts mehr. Zum Glück hat ein Teilnehmer ein Nachtsichtgerät mit. Wir geraten ganz aus dem Häuschen, als wir bei Dunkelheit durchschauen und sich alles beobachten läßt. Wahnsinn diese Technik!!!
Der nächste Morgen ist schon der letzte Tag. Unglaublich wie die Zeit rast, wenn man etwas tut was einen fasziniert und fesselt. Es steht heute ein Gebiet an, das sandig ist, mit Heide und Kiefernwäldern. Es liegt genau an der polnischen Grenze, dicht an der Neiße.
Dort werden wir heute nach Fährten und anderen Hinweisen von Wölfen suchen. Herdenschutzhunde bewachen auf Weiden am Ufer der Neiße ihre Schafe und zum Abschluss gehen wir noch zu einem Ziegenhof, der ganz ausgezeichneten Käse herstellt.
Jede Menge Vögel, auch seltene wie den Pirol oder Schwarzspecht sehen und hören wir. Auch frische Spuren von Wölfen finden wir. Bobby, Stephans Hund, wird uns diesmal die unterschiedlichen Gänge im Sand demonstrieren. Damit wäre Stephan dann doch überfordert wie ein Vierbeiner im Sand zu laufen. Bobby hat auch schon sehr oft Wolfsmarkierungen gefunden, oder Risse. Seine Nase ist eben einfach tausend Mal besser als unsere…
Das Gebiet ist wunderschön und wir wandern schließlich Richtung Neiße durch einen Buchenwald, der wie im Märchen wirkt. Passend dazu entdecken wir einen Frosch am Wegrand, küssen will ihn aber keiner. Vielleicht aus Angst den Prinzen dann nehmen zu müssen, der dabei herauskommt :-) Ich glaube, der Frosch war auch ganz froh drumherum zu kommen.
In den Niederungen sehen wir eine eingezäunte Schafsherde mit 2 Pyrenäenberghunden, die ihren Job verdammt ernst nehmen und uns verbellen. Sie wachsen mit den Schafen zusammen auf und verteidigen daher ihre Schafe wie ihre eigene Familie. Es gehört viel Erfahrung dazu die richtigen Welpen dafür auszusuchen. Bei unserer Tour kommenden Oktober werden wir einen Schäfer besuchen, der in Deutschland der beste Ansprechpartner dafür ist.
Auf dem Weg zu unserer letzten Station haben wir noch eine nette Begegnung zwischen zwei Nachkommen der Wölfe. Von wegen „Vorsicht bissiger Hund“ :-)
Zum Abschluss der Tour kehren wir bei einem Bio-Ziegenhof ein. Er liegt sehr idyllisch und die Ziegen führen ein traumhaftes Leben. Der Inhaber erzählt uns, das er eigentlich aus Ostfriesland kommt und Pädadoge war, doch der Liebe wegen blieb er vor vielen Jahren in der Lausitz hängen. Der Ziegenkäse ist eine kulinarische Explosion. Der zum Beispiel in Asche gedrehte Ziegenfrischkäse schmeckt unglaublich lecker.
Wir genießen die letzen Momente einer spannenden Tour auf den Spuren der wilden Wölfe Deutschlands beim leckeren Wein der dort angebaut wird, Apfelsaft aus der Region und dem unglaublich köstlichen Ziegenkäse.
Alle Ergebnisse der Losungen und Spuren, die wir finden, werden gesammelt und gehen in ein Institut für wissenschaftliche Forschungen über das Leben wilder Wölfe in Deutschland.
Wer jetzt Lust hat auch mal dabei zu sein und sich für das Leben von Wölfen in Deutschland interessiert, findet keine kompetentere und aktuellere Anlaufstelle. Unsere Touren werden übrigens von Greenpeace empfohlen.
Es sagen Cati, Stephan, Bobby und ich tschüß und bis bald in der Lausitz…