Copyright: Text und Fotos von Sabine Bengtsson
Eine Zeitreise nach Portugal, wie einst die Urahnen unser Hauspferde und Hunde lebten!
Seit einigen Jahren arbeite ich eng mit zwei portugiesischen naturwissenschaftlichen Journalisten zusammen, um Menschen in einer Gruppe von max. fünf bis sechs Teilnehmern mitzunehmen in eines der letzten Paradiese für Wildpferde und Wölfe in Europa. Hier spürt man unsere Geschichte so deutlich wie kaum anderswo – die enge Verknüpfung von Mensch, Hund und Pferd, die seit tausenden von Jahren besteht und durch die wir den Sprung in eine kulturelle Entwicklung machen konnten, die ohne diese beiden Tierarten niemals möglich gewesen wäre!
In Hamburg stieg ich bei nasskaltem Wetter in den Flieger und als sich wenige Stunden später die Flugzeugtür wieder öffnet, weht mir ein lauer, warmer Wind entgegen. Es riecht nach Süden und ich freue mich auf die 2,5 stündige Fahrt in die Berge. Wir treffen in der Flughafenhalle die 5 Teilnehmer, die sich die nächste Woche mit uns aufmachen, ins Wildpferde-, und Wolfsgebiet zu reiten.
Es ist bereits dunkel als wir ankommen. Das Gästehaus ist ein wunderschön saniertes altes Bauernhaus. Wir sitzen noch ein wenig mit den Teilnehmern vor dem Kamin zusammen und besprechen den nächsten Tag, bevor sich jeder schlafen legt.
Am nächsten Morgen gibt es eine Überraschung für die Teilnehmer. Es erwartet sie ein wunderschöner Ausblick aus dem Fenster in die karge und doch wunderschöne Landschaft. Das Haus liegt außerhalb des Ortes, inmitten wilder Natur.
In den Dörfern ziehen auch heute noch alte Frauen mit ihren Schafen unter den wachsamen Blicken der Herdenschutzhunde, der typischen heimischen Rasse Castro Laboreiro, durchs Dorf.
Wir fahren zu Pedro, dort leben auch seine Pferde, die die Teilnehmer sicher und sehr zuverlässig durch das unwegsame Gelände tragen werden. Er hat überwiegend Hengste, die tagsüber zu zweit auf steilen Weiden leben und abends zum Schutz vor den Wölfen in den Stall kommen.
Das ist hier auch so eine Besonderheit, nirgendwo sonst jagen Wölfe Pferde, doch hier ist vieles anders…
Menschen sind daran, wie so oft, nicht unschuldig. Alles was vor die Flinte, die Falle oder dem Giftköder kommt wurde gejagt. Dadurch war der Wolf, wenn er nicht verhungern wollte, gezwungen das hohe Risiko einzugehen sich auch auf schwache oder sehr junge Wildpferde als Jagdbeute einstellen zu müssen. Das Zusammenleben von Wölfen und Pferden besteht seit über 20 000 Jahren und funktioniert ohne unsere Einmischung bis heute hervorragend.
Und genau darum geht es…wie können wir im Einklang mit ihnen leben?!
Die Garranos, so werden die Wildpferde genannt, sind sehr harmonisch gebaute mit feinen Köpfen und besten Reitpferdeeigenschaften ausgestattete Tiere mit bis zu 145 cm Stockmaß, immer dunkelbraun bis schwarz, keine weißen Stellen am Körper, außer kleinen Abzeichen, die am Kopf vorkommen können. Durch sie ist der Vererber einer Herde sehr gut herauszufinden. Sie klettern wie Bergziegen in dem steilen, steinigen Gelände.
Seit jeher nutzen die Menschen Garranos ebenso für die Feldarbeit, zum Reiten und Fahren. Auch heute noch stehen Pferde in den Dörfern auf Weiden und verrichten ihre Arbeit. Sie sind freundlich und ausgeglichen, dennoch temperamentvoll und schnell. All das brauchen sie um in der Wildnis zu überleben, wenn nachts die Wölfe auf Jagd gehen. Ein funktionierendes Sozialverhalten in der Herde steigert zudem die Überlebenschancen.
Wir entschließen uns zunächst mit dem Geländewagen auf das Hochplateau zu fahren, damit alle einen ersten Eindruck vor dem Ritt bekommen.
Denn es gibt durchaus auch Probleme in dieser sonst noch so heilen Wildnis.
Einige Bauern entlassen ihre überfällig gewordenen Pferde und Ponies in die Berge frei, diese vermischen sich mit den Garranos. Dadurch gehen wertvolle Urinstinkte verloren und ein einmaliger Genpool, der sich über so eine lange Zeit perfekt an die Umgebung anpassen konnte. Von den noch ca. 1500 wild lebenden Pferden sind schätzungsweise nur noch die Hälfte oder sogar weniger reinrassige Garranos.
Als wir uns mit dem Fahrzeug einen sehr holperigen Weg durch spitze Dornen und Heide bahnen, wird der Respekt der Teilnehmer vor diesen Pferden noch größer hier überleben zu können.
Es gibt nur kleine Büsche in Tälern als Wetterschutz und wie ein Pferdemaul diese harten Dornen des Stechginsters fressen kann, ist ein weiteres Mysterium.
Pferde sind wahre Überlebenskünstler und haben es auf der ganzen Welt geschafft in den unwirklichsten Gebieten zu überleben.
Nach einer halben Stunde sehen wir eine Gruppe von Pferden. Und als ob die Pferde es mit Pedro abgesprochen haben, der auf dem Hinweg über die Vermischung der Pferde sprach, finden wir eine beispielhafte Paradeherde dafür.
Einige Weiße sind unter ihnen, massige Körper auf viel zu kurzen Beinen, große Köpfe und der Behang lässt auf Kaltbluteinschlag hindeuten.
Ein kleines Fohlen folgt auffällig matt und abgeschlagen in einigem Abstand der Herde. Es ist offensichtlich krank und geschwächt. Dies sind die Tiere, die der natürlichen Selektion zum Opfer fallen. Einerseits traurig und doch, wenn man niedliche Wolfswelpen sieht, möchte man genauso das auch sie nicht verhungern. Es schlagen zwei Herzen in unserer Brust – für die Wildpferde und für die Wölfe.
Doch nur der Mensch nimmt eine Bewertung vor, die Natur geht damit sehr viel pragmatischer um. Sie erlöst ein Tier vor einem langsamen, oftmals qualvolleren Tod eben auf Ihre Art, in der der Wolf einfach nur einer von vielen Erfüllungsgehilfen ist. Nur jeder fünfte Versuch führt bei Wölfen zum Erfolg geschwächte, zu junge oder zu alte Pferde reißen zu können.
Und ich werde nicht müde, die Teilnehmer darauf hinzuweisen, dass normalerweise Pferde nicht auf dem Beuteplan von Wölfen stehen. Denn durch eine falsche Berichterstattung könnte es zu einer Hysterie in Deutschland bei den Pferdebesitzern führen, da sich die Wölfe bei uns glücklicherweise gerade wieder ihren wichtigen Platz im Ökosystem zurückerobern. Ihnen Unrecht zu tun wäre dafür katastrophal, zumal dieses Tier mit Vorurteilen schon genug zu kämpfen hat.
Langsam und hintereinander her bewegen wir uns im Zickzack auf die Herde zu. Der Hengst hat uns genau im Visier. Er wirkt angespannt. Wir halten an und schauen zu Boden. Die Anspannung schwindet, er beginnt zu grasen. Das ist unser Zeichen sich weiter auf die Herde zu bewegen.
Ein großer Fels hilft uns sich dahinter zu verbergen.
Als die Pferde sich nicht weiter um uns kümmern, beginnen einige von uns zu fotografieren. Das Klicken der Kameras beunruhigt die Tiere nur kurz. Die Fohlen tollen unbekümmert über das Plateau.
Unter wilden Pferden zu sein ist jedes Mal wieder für mich Gänsehaut pur!
Als wir bei Einbruch der Dämmerung zurückkehren, ist ein erfolgreicher erster Tag zu Ende und wir lassen ihn mit einem Glas Rotwein, Käse und Brot ausklingen… natürlich wieder am lodernden Kamin.
Am nächsten Morgens werden wir zu Pferd in die Berge reiten.
Die Teilnehmer sollen selber erleben, wie trittsicher und perfekt an die
Umgebung angepasst diese Pferderasse ist. Für große Nordeuropäer hat
Pedro auch Lusitanos. Auf den ersten Blick ziehen sie die Aufmerksamkeit
auf sich. Sind sie doch größer, weltweit begehrt und genießen einen noblen Ruf.
Doch spätestens nach dem ersten Ausritt wünscht sich so mancher lieber etwas kleiner zu sein um auf einem Garrano reiten zu können. Denn dort wo die kleineren Berg-Pferde wie Gämsen die Felsplateaus erklimmen, wirken die sonst so leichtfüßigen Lusitanos fast etwas schwerfällig und haben deutlich mehr Schwierigkeiten.
Auch überraschen die Teilnehmer die hohe Qualität der Gänge und die Leichtrittigkeit der Garranos. Sie haben weder einen typischen „Ponydickkopf“ noch die kurzen Tritte von Ponies.
Pedro sagt im Scherz zu uns: Sie sind eben Schrumpfiberer. Und da ist was dran.
Ich habe das Glück Garotto zu reiten, einen wunderschönen Garranohengst,
der in der Freiheit geboren wurde. Sanft, ausgeglichen, pfeilschnell und perfekt gebaut.
Er weist eine Narbe eines Wolfsbisses an der rechten Hinterhand auf. Ein Zeichen seiner körperlichen und charakterlichen Stärke, schon als Fohlen.
Er ist auch schon mal von der Weide entwischt und hat sich ein paar Stuten eines wilden Hengstes ergattert, mit denen er einige Tage umher zog, bevor Pedro ihn zurück nach Hause holte. Ein schöner Gedanke, dass dort irgendwo draußen Nachkommen dieses Traumhengstes herumlaufen.
Nach einer Lunchpause an einem großen Felsen mit unvergesslichem
Ausblick über die Region, machen wir uns auf den Heimritt. Wir kreuzen eine Wildpferdherde und unsere Hengste geben kurz brummelnde Laute von sich, bleiben jedoch ansonsten völlig gehorsam.
Der Wildhengst zieht es vor seine Stuten anzutreiben und einen größeren Abstand herzustellen. Wer weiß, vielleicht war er es, dem Garotto damals die Stuten stahl…
Am Nachmittag statten wir dem Informationszentrum des Nationalparks einen Besuch ab. Hier finden wir eine schöne Ausstellung zu all den heimischen Tieren und Pflanzen. Der dortige Mitarbeiter gibt uns wertvolle Hintergrundinfos zu dieser einmaligen Region.
Viele Reisende kennen zwar die Algarve von Portugal, der Norden ist jedoch eine eher unbekannte Perle.
Das Gebiet ist alles andere als lieblich. Die Menschen trotzen der kargen Erde nur mit Mühe etwas zum Überleben ab, sind arm und sehr traditionsbewusst.
Das raue Klima, die Landschaft, die Felsenzäune und Teile der Musik erinnern dann auch mehr an Schottland oder Irland und wir verstehen immer besser, warum sich hier die Kelten heimisch gefühlt haben und vor langer Zeit ihre Spuren hinterließen…
Die wilden Berg-Pferde wurden durch die Eiszeit auf die iberische Halbinsel verschlagen und sind genauso vergessen wie die Zeit, als die Menschen den Wolf und das Pferd domestizierten.
Vielleicht ist es genau diese Mischung, die uns in ihren Bann zieht. Wir erahnen etwas aus einer Zeit, in der der Mensch, der Wolf und das Wildpferd begannen ihre Wege schicksalhaft miteinander zu verknüpfen.
Am nächsten Tag möchten wir in das Tal der Wölfe. Es ist ein einsames Gebiet, durch das es keinen Weg gibt. Etwas baumbewachsen im Tal, große Felsen, steile Hänge und karges Grasland bestehend aus Heide, Dornen und Farn.
Hier leben zwei Wolfsfamilien und circa vier Wildpferdeherden. Sie sind noch sehr reinrassig mit ausgeprägten Urinstinkten. Die Leithengste und Leitstuten sind Pedro schon über Jahre bekannt.
Es gibt Adler, Geier, fleischfressende Pflanzen und sogar Enzian.
Wir brechen sehr früh gegen 4.30 auf. Wir möchten gerne Wildpferde im Sonnenaufgang fotografieren und die Chance Wölfe zu hören, vielleicht sogar zu sehen, sind um diese Zeit auch am besten.
Durch eine vierjährige Dokumentation über die Wölfe kennt Pedro ganz genau ihre Gewohnheiten und ihre Höhlen.
Manchmal, so erzählt er uns, antworten die jungen Wölfe auf sein Heulen.
Dann hört er ein Knurren der Eltern und es herrscht Ruhe. Sie können ganz
genau unterscheiden, ob es ein Mensch oder ein Wolf ist. Vor allem haben
sie aus gutem Grund gelernt den Menschen zu meiden!
Als wir in diesem Tal ankommen steht der Mond am Himmel und es herrscht absolute Stille.
Wir stehen auf einem Felsen und Pedro heult für unsere Ohren perfekt wie ein Wolf.
Doch es kommt keine Antwort, nur ein paar Hunde aus einem entfernt gelegenen Dorf heulen zurück.
Wir machen uns auf, die Wildpferde zu suchen und hoffen sie zu finden,
keine einfache Aufgabe in diesem Gebiet. Dann sollten sie für gute Bilder
auch noch auf der richtigen Bergseite stehen, damit das Morgenlicht sie erfasst.
Gespannt gehen wir leise los und halten Ausschau nach ihnen.
Plötzlich sehen wir ein einzelnes Pferd weit oben in den Felsen. Es ist wie ein schwarzer Adler vor schwarzem Hintergrund und erfordert gute, geübte Augen sie zu finden.
Wir beschließen aufzusteigen und sich ihm langsam zu nähern.
Es hat uns schon lange gesehen und steht regungslos zwischen den Felsen.
Während wir vorsichtig näher kommen, erkennen wir immer mehr Pferde. Die Fohlen liegen versteckt im hohen Farn während die erwachsenen Pferde um sie herum zwischen den Felsen grasen.
Der Hengst steht etwas abseits zusammen mit seiner Lieblingsstute und ihrem Fohlen.
Es herrscht totaler Friede, doch so kommt es sicher nur uns vor. Die Pferde müssen jede Sekunde wachsam sein. Nicht nur vor den Wölfen, auch die Menschen haben sie mitunter zu fürchten. Erst letztes Jahr wurde eine Herde mit fünf Garranos erschossen, nur weil sie sich den menschlichen Feldern zu sehr näherten.
Doch hier und in diesem Moment ist alles friedlich, die Vögel beginnen den Morgen zu begrüßen und die Sonne kriecht langsam über die Berge…
Und zum Glück auch noch aus der richtigen Richtung, die Pferde haben sich wie für ein Fotoshooting perfekt an den richtigen Hang gestellt.
Jeder von uns sitzt ein wenig für sich und nimmt diesen verzauberten Moment auf seine eigene Art und Weise in sich auf.
Der kurze Augenblick wenn das Morgenlicht langsam über den Hügel kriecht und die Pferde in ein rötliches Licht taucht, hat etwas Magisches.
Neben mir höre ich viele Klicks der Kameras, doch selbst dieses technische Geräusch kann dem Zauber dieser Situation in dieser Urlandschaft nichts anhaben.
Die Pferde haben sich an unsere Anwesenheit gewöhnt und so nutzen wir die Gelegenheit noch ein bisschen näher zu kommen. Wir atmen den würzigen Geruch von Kräutern und den Wildpferden ein, dabei hören wir ihr gleichmäßiges rupfen und kauen.
Ein Fohlen, vielleicht 3 Monate alt, hat einen dunklen Fleck an der Kehle und am rechten Hinterbein sehen wir Streifen und ebenfalls eine dunkle Stelle. Durch das Fernglas können wir das unfassbare Wunder sehen – offensichtlich hat es den Angriff von zwei Wölfen abgewehrt. Die Wunden sind dabei zu verheilen und es wirkt gesund, stark und aktiv.
Dies ist erneut ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Wölfe nur Chancen haben bei Tieren, die dieser Wildnis nicht gewachsen sind. Selbst ein drei Monate altes gesundes Fohlen ist zu stark für die Wölfe. Hinzu kommt, wenn die Herde durch erfahrene Leittiere geführt werden und sie ihm zu Hilfe kommen, dann haben die Wölfe kein Glück.
Wenn er einmal ein erwachsener Leithengst ist, wird er durch diese Erfahrung seine Herde sicher vor vielen Gefahren beschützen können.
Es fällt schwer sich nach Stunden von der Herde zu trennen. Viel zu spannend ist es zu beobachten wie sie miteinander über viele Gesten kommunizieren, zu aufregend die Fohlen beim Spielen zu sehen.
Mir gehen viele Gedanken durch den Kopf, denn hier wird sehr deutlich, warum Pferde keine Schmerzlaute von sich geben, sie dürfen ihre Fressfeinde auf keinen Fall auf sich aufmerksam machen.
Ich denke daran wie viele Pferde in Menschenobhut durch dieses überlebenswichtige Verhalten in der Wildnis, ihre Schmerzen, die wir ihnen absichtlich oder unabsichtlich zufügen, stumm ertragen. Bleibt zu hoffen, dass durch unser Artenschutzprojekt und die Beobachtungstouren zu den Wildpferden die Menschen dafür sensibler werden.
Zu Hause warten Pedro´s Pferde auf ihr Frühstück und somit machen wir uns auf den
Rückweg.
Unterwegs treffen wir noch zwei freilebende Kühe, die dennoch Besitzer haben, mit beeindruckenden Hörnern und sehr sanften Augen, sie sind etwas kleiner als die uns bekannten Friesenkühe.
Pedro berichtet uns, dass er mehrmals beobachten konnte, dass sie nach
Artgenossen rufen, wenn sie von Wölfen bedroht werden. Dann eilen die anderen herbei und sie bilden einen Kreis mit den Köpfen nach außen. Das ist der perfekte Schutz vor einem Angriff. Dieses Verhalten erinnert an die Bisons oder Wisente.
Vor Jahren begannen die Bauern schwere Friesenkühe einzuführen. Mit sehr mäßigem Erfolg, sie hatten keine Urinstinkte mehr sich vor Angriffen schützen zu können, auch waren sie viel zu schwerfällig und langsam. Also holten sie die angepassten, heimischen Rinder zurück in die Täler.
Bleibt zu hoffen, dass sie auch den Wert der wilden Pferde und Wölfe rechtzeitig erkennen.
Nachdem Pedro´s Pferde versorgt sind, gehen wir einen Kaffee trinken in einem kleinen Hotel im Ort. Die Eindrücke des Morgens sind noch sehr präsent und wir beschließen am Nachmittag in dieses Gebiet, zu Pferd, zurückzukehren.
Gesagt, getan. Als wir losreiten und uns auf schmalen Pfaden bewegen, stoßen wir auf eine Wolfslosung.
Das Einzige was die meisten Menschen von Wölfen zu sehen bekommen – Losungen und Pfotenabdrücke! Das wirkt jedes Mal belustigend auf mich, wenn sich mehrere Erwachsene begeistert über die Hinterlassenschaften von Wölfen beugen und Photos davon machen.
Wäre doch ganz lustig, wenn man das auch mal in der Stadt sehen könnte, wie sich Menschen so über einen Hundehaufen beugen – dem domestizierten Wolf.
Weiter auf diesem Weg finden wir dann tatsächlich einen frischen Wolfspfotenabdruck.
Perfekt zu sehen in einem noch feuchten Boden.
Sie sind ebenso unsichtbar wie die wilden Pferde, keine Spur von ihnen.
Es ist sehr warm und so beginnen wir zwischen den Bäumen nach ihnen Ausschau zu halten. Denn oftmals stehen sie dort dicht gedrängt, wedeln sich gegenseitig die Fliegen aus dem Gesicht und warten die Hitze ab.
So auch diesmal, plötzlich sind sie da. Wir entdecken eine Herde unter den Bäumen.
Sie sind sehr entspannt und so kommen wir so nah heran, wie nur selten möglich.
Wenige Meter stehen wir voreinander. Mensch und Wildpferd sehen sich für Sekunden direkt in die Augen…
Die Stuten blicken zu uns, während die Fohlen in Fluchtrichtung von uns weg stehen.
Während der Hengst irgendwann zum Aufbruch drängt, setzt sich die Leitstute in Bewegung. Der Hengst bleibt zurück und behält uns im Auge, er sichert den Rückzug der Pferde und irgendwann sind sie im hohen Farn verschwunden. Vorher konnten wir beobachten, wie sie nacheinander eine Kuhle aufsuchen um sich zu wälzen. Währenddessen sind die Fohlen wieder am Toben. Es ist jedes Mal erneut faszinierend Pferdekinder in ihrer Ausgelassenheit zu erleben.
Ein weiterer spannender Tag ist zu Ende und wie auch an den vergangenen Abenden, werden wir Zeugen, wie die alten Frauen ihre Tiere zurück durchs Dorf in den Stall treiben, während die Hunde sie begleiten…
Den letzten Tag werden wir sowohl zu Pferd verbringen als auch an den äußeren Rand des Hochplateaus an die spanische Grenzen fahren.
Die Rittigkeit dieser außergewöhnlichen Pferde zu erleben, war für die Teilnehmer schon überraschend genug, doch es sollte noch übertroffen werden!
Wir reiten hoch in die Berge und überqueren ein Plateau und zwei kleine mittelalterliche Dörfer. Die Hufe klappern auf dem Kopfsteinpflaster und irgendwann kommen wir in eine Landschaft mit weichen Sandwegen.
Als wir gerade durch einen kleinen Bach reiten, taucht über uns auf einem Felsen ein wunderschöner dunkelbrauner Hengst auf. Er sieht zu uns herunter und ich bemerke Garottos Aufgeregtheit. Er beginnt leise zu wiehern. Der Hengst verschwindet und einige Augenblicke später können wir ihn mit seiner Herde den Hang hinauf galoppieren sehen. Garotto blickt ihnen nach und in dem Moment bin ich glücklich, dass er ganz gelassen bleibt – denn auch er hat immer noch die freie Seele eines Wildpferdes in sich.
In der Mittagspause binden wir die Hengste an lächerlichen Ästen dicht nebeneinander an. Sie halten genauso Siesta wie wir.
Für viele in Deutschland wäre dies unbegreiflich, da sie ein Bild von Hengsten im Kopf haben, dass den Pferden ganz und gar nicht gerecht wird.
Auch stehen sie zu zweit bei Pedro auf Weiden, ohne das es zu Auseinandersetzungen kommt.
Als wir am Nachmittag zurück zum Stall reiten, haben alle das Gefühl – diese Pferderasse hat es mehr als verdient nicht auszusterben!
Den späten Nachmittag verbringen wir an der spanischen Grenze auf dem Hochplateau und finden noch einige Pferdeherden. Das Gebiet weist zudem sehr viele Höhlengräber auf.
Die ganze Region strotzt nur so von alten Kulturen, Traditionen und seltenen Tieren und Pflanzen.
Richtung Auto zurückgehend, drehe ich mich noch einmal um und sehe eine junge Stute, die uns lange hinterher sieht.
Ganz so als ob sie ahnt, dass unser Besuch bei Ihnen dazu dient,
ihre Artgenossen und ihren Lebensraum zu schützen…
Pedros und meine Begeisterung sind übergesprungen auf die Teilnehmer – das was wir gehofft hatten.
Bleibt nun nur noch zu wünschen, dass unser Konzept auch weiterhin so erfolgreich ist, Menschen mit in diese Welt zu nehmen, um zu begeistern, zu informieren und unseren Teil dazu beizutragen, dass auch die nächsten tausenden von Jahren Platz bleibt für diese außergewöhnlichen Wildpferde und Wölfe…
Es wird immer wieder kontrovers diskutiert, ob es richtig ist über Touren Menschen mitzunehmen in die Wildnis, zu Wildtieren… Ich bin der Überzeugung, dass es der falsche Weg ist, Menschen aus der Natur auszusperren. Wir sind ein Teil dieser Erde und durch unser Handeln ergeben sich Konsequenzen für die Natur. Daher dürfen wir uns nicht zu sehr von ihr entfernen. Menschen die in der Wildnis waren, unter frei lebenden Tieren, kommen anders zurück. Sie müssen nicht überzeugt werden sich für unsere Erde einzusetzen, sie tun es von alleine und aus ihrem eigenen Impuls heraus. Sie tragen es in die nächste Generation und das Wichtigste, sie haben es selber erlebt und sind authentisch in ihrer Begeisterung.
Darum sind Touren in die Natur, durchgeführt mit Respekt vor ihr, den Wildtieren und alten Kulturen, so wichtig für den Erhalt unseres Planeten.
Diesen Bericht schließe ich ab mit einem Zitat von Bernhard von Clairvaux:
„Glaube mir, du wirst mehr in den Wäldern finden, als in den Büchern. Bäume und Tiere werden dich lehren“…
Herzliche Grüße Sabine Bengtsson