© Text und Bilder Sabine Bengtsson / Perlenfaenger.com – Juni 2023
Gerade komme ich zurück aus einem Land, das mich nicht nur völlig überrascht sondern auch völlig verzaubert hat!
Estland – wunderschöne Natur und fantastische Menschen!
Die Anreise nach Tallinn von Deutschland aus geht schnell und unkompliziert mit dem Flieger. Will man mit dem Zug oder dem Auto fahren, brauchst es da dann doch schon sehr viel mehr Zeit. Wer weiß, vielleicht ändert sich das ja in den nächsten Jahren…
Estland ist in etwa so groß wie die Schweiz, hat gerade einmal 1,4 Millionen Einwohner und ca. 1.000 Bären und ungefähr 300 Luchse und rund 260 Wölfe, die in 20-25 Familien leben. Der Wolf wurde vor Kurzem zum Nationaltier Estlands gewählt, über das es viele Legenden gibt, die bis ins Mittelalter zurückreichen. Ganz unumstritten ist der Beutegreifer auch in Estland nicht; allerdings haben auch hier Wölfe seit mehr als 150 Jahren keine Menschen mehr angegriffen.
Ebenso teilen sich Elche, Robben und viele Vogelarten den Lebensraum mit den Menschen.
Allein das wäre schon ein Grund dieses faszinierende Land zu besuchen… Doch es gibt noch weitaus mehr, was Estland zu bieten hat.
Große Wald und Moorflächen bedecken das Land, lange unbebaute Küsten geben vielen Tieren den Raum zum Leben, den sie in vielen anderen Ostseeländern bereits verloren haben!
Nicht nur historisch, sondern auch dem Selbstverständnis nach, begreift sich Estland mehr als nordeuropäisches Land und fühlt sich eher Skandinavien zugehörig als dem Baltikum.
Das spürt man vor allem in der Lebensart, der Mentalität, derm skandinavischen Design in Restaurants und Hotels und dem entspannten und respektvollen Umgang mit der Natur und den Wildtieren. Da über Jahrhunderte katholische und evangelische Orden vergeblich versuchten Estland für sich einzunehmen, sind sie ihrer engen Verbundenheit zur Natur mit dem dazugehörendem Respekt vor der Natur treu geblieben!
Nach der Ankunft aller Teilnehmer zu dieser Inforeise, ging es zunächst in ein fantastisches Restaurant, das bei Michelin aufgeführt wird. Und ja, es hat diese Ehrung wirklich verdient. Eine wunderschöne alte Villa mit prachtvollen Räumen, herausragendem Essen und wahnsinnig netten und lockerem Servicepersonal.
Danach fuhren wir über den Wasserfall Keila nach Laulasmaa, an die Nordwestküste, etwas außerhalb der Hauptstadt (ca 50 Minuten Fahrtzeit). Unterwegs besichtigten wir das Schloss Fall am Wasserfall Keila und das Arvo Pärt Zentrum in Laulasmaa.
Schloss Fall ist ein liebevoll restauriertes Luxushotel, in dem auch Minister und Adlige absteigen. Dabei ist es weder abgehoben noch steif. Eingebunden in einen 80 ha Park und dem Wasserfall kann man vom Schloss aus tolle Spaziergänge machen.
Der Schloßbesitzer führte uns herum und seine Frau war in Gartenklamotten am Rosenpflanzen – sie waren beide sehr bodenständig und sympathisch!
Wer es gerne luxuriös, aber dennoch persönlich mag, ist hier genau richtig!
Die Nacht verbingen wir in einem Spa Hotel direkt an der Ostsee. Auch hier, super schönes skandinavisches Design mit einem ganz hervorragendem Frühstück und einem unverbautem Strand vor der Tür. Hier ließe es sich sicher gut ein paar Tage aushalten. Doch schon am nächsten Morgen geht es weiter.
Davor werden wir jedoch noch eine weitere tolle Kultur Estlands kennenlernen – der Besuch eines von Michelin renommiertem Hausrestaurants unweit der Küste. Was genau ist das? Nun, bei diesem Hausrestaurant wird bestes Essen geboten, um es in schöner Atmosphäre zu genießen! Es ist ein Familienrestaurant, das ansonsten ihr ganz normales Zuhause ist und in dem alle Familienmitglieder nach Kräften mitwirken. Alle zwei Wochen stellt der Chefkoch neue Gerichte zusammen, darunter lokale Zutaten und die besten internationalen Gerichte. Das Restaurant begann mit dem Wunsch, Gästen ein Erlebnis zu bieten, das buchstäblich die Zeit anhält!
Wir stoppen am Arvo Pärt Zentrum und erfahren viel interessantes von diesem Mann, der weit über Estlands Grenzen ein bekannter Komponist ist und mittlerweile 87 Jahre alt und immer noch aktiv ist!
Danach kam mein persönliches Hihlight – eine Moorschuhwanderung, geführt von einem exzellenten Natur-, und Wildtierführer. Es geht ein paar Stunden ins Moor, mit Aussicht ein Bad in einem Moorsee nehmen zu können.
Nachdem wir unsere Moorschuhe angezogen und festgestellt haben – zurück geht es nicht mit diesen Schuhen – starten wir vorsichtig Schritt für Schritt die Wanderung in diesem einzigartigen Lebensraum. Durch die Moorschuhe sinkt man weniger ein und vor allem, man zerstört auch kaum etwas durch die große Auflagefläche.
Als erstes taucht ein Steinadler am Himmel auf, der von einer Krähe attackiert wird – was für ein toller Auftakt!
Auf dem Boden wachsen zahlreiche Sonnentau-Pflanzen, zum Teil winzig klein und dazu kommen Blüten der Moltebeere und viele weitere Moorspezialisten, die sich diesen Lebensraum erobert haben.
Wir gehen hintereinander, da unser Guide nicht möchte, dass wir ins Moor einsinken.
An einem Stopp vergesse ich es und falle hin – ich wollte rückwärts gehen ;-)
Nun zahlt sich meine schnelltrocknende Hose aus. Denn der Boden ist wie ein Schwamm vollgesogen mit Wasser.
Eine Teilnehmerin vergißt in der Spur zu bleiben und versinkt prompt mit beiden Beinen im Moor. Unser Guide ist sofort zur Stelle und zieht sie wieder raus. Doch das zeigt, man sollte es nie unterschätzen, oder sogar alleine ins Moor gehen.
Die Landschaft ist fantastisch, durchzogen von Moorseen, Bäumen und vielen anderen Pflanzenarten. Wir finden Bärenspuren und beobachten einige Vögel.
Ich gestehe, ich bin zu faul mich „auszuplünnern“ wie wir im Norddeutschen sagen, um in dem Moorsee zu baden. Die Hälfte von uns ist jedoch reingegangen und hat es sichtlich genossen.
Nach drei Stunden ist dieses tolle Naturabenteuer beendet. Am Rand des Moores, der gleichzeitig der Waldbeginn ist, werden wir von Mücken begrüßt. Im Moor selbst sind sie nicht anzutreffen. Doch ich sehe es pragmatisch, Mücken, Bremsen und auch Zecken halten den Massentourismus fern ;-)
Unsere Fahrt führt uns weiter nach Haapsalu, einem wunderschönen Ort an der Ostsee. Doch auf dem Weg dorhin halten wir noch für ein ganz besonderes Mittagessen an.
In einem kleinen Dorf hat uns eine Frau ein Essen gekocht, das ganz typisch ist für die Esten. Sie verwenden alle Zutaten, die ihnen die Natur bietet. So genießen wir unter freiem Himmel eine sehr leckere Brennesselsuppe mit selbstgebackenem Brot, Käse-Dip sowie einem wundervoll schmeckendem Nachtisch.
So gestärkt geht es weiter nach Haapsalu. Hier wohnen wir in zwei verschiedenen kleinen Boutique-Hotels. Ich komme in einer schöne alten Holzvilla unter, mit einem großen baumbewachsenen Garten, direkt am Meer.
Es ist noch ein bisschen Zeit bis zum Abendessen und so gehe ich mit Kamera ans Meer. Ein keiner Weg schlängelt sich direkt zwischen naturbelassenem Strand und alten schönen Holzhäusern außen um den Ort herum.
Was mich erstaunt, es ist niemand am Wasser, oder badet. Etwa 100 m vom Strand entfernt befindet sich eine kleine Insel, auf der sich viele Seevögel befinden und brüten. Das ist auch der Grund für die Zurückhaltung der Menschen, wie ich später erfahre – sie möchten die Vögel nicht stören! Ich bin verblüfft und gleichzeitig begeistert über soviel Naturverbundenheit und Respekt!
Haapsalu hat einen alten historischen Bahnhof, der die Pracht, aber auch den Protz der damaligen Adeligen zeigte. Damit der Zar und andere Reiche auch all ihren Hausstand zur Sommerfrische mitnehmen konnten, musste ein sehr langer überdachter Bahnhof gebaut werden.
Da die Gleise für russische Züge gebaut wurden und mit europäischen Zügen und Lokomotiven nicht kompatibel sind, stehen die alte Dampflok und Wagons nun dort zum anschauen…
Am Abend erkunden wir den wirklich schönen, kleinen Ort mit seinen überwiegend historischen Holzhäusern. Bis spät in den Abend, es wird ja so gut wie nicht dunkel, sitzen überwiegend Esten aus Tallinn draußen auf den Terrassen der Bars und Restaurants und genießen den Sommerabend.
Wir sind zum Abendessen in einem von Michelin empfohlenen Restaurant. Sehr geschmackvoll, skandinavisch und sehr lecker. Und auch hier empfängt uns ein lockerer Service trotz der gehobenen Restuarantklasse, so dass man sich sofort wohl fühlt.
Den Abend lassen wir in einer Bar direkt am Meer ausklingen, bevor es am nächsten Morgen nach Tallinn geht.
In Tallinn angekommen, begeben wir uns auf eine Stadtführung in die mittelalterliche Altstadt und die modernen Viertel wie Kalamaja und Noblessner. Was sofort auffällt, in der Altstadt gibt es keine Graffitis und es ist wie übrigens auch im Rest des Landes, den wir besucht haben, extrem sauber – es liegt so gut wie kein Müll herum. Triin unsere Tourleitung erklärt, dass die Esten nicht nur die Natur respektieren, sondern auch alte Städte und Häuser und sie daher nicht besprüht werden. Bleibt zu hoffen, dass sich dies bewahrt, denn mir bricht es jedes Mal das Herz, wenn ich bei uns oder in anderen Ländern alte Holztüren, Häuser ja sogar mittlerweile Bäume sehe, die vollgesprüht wurden mit häßlichen Graffitis!
In Tallinn findet man sie lediglich in dem neuen Virtel in dem sich StartUp´s, die Kunstszene oder viele Studentenkneipen befinden. Hier gehört es auch hin und die zumeist wirklich kunstvollen Graffitis stören überhaupt nicht.
Direkt am Hafen in einem neuen, angesagten Wohnviertel, werden wir ein letztes Mittagessen einnehmen, bevor wir am nächsten Tag aus Estland abreisen. An einer langen Tafel direkt an der Kaimauer eines Hafenarmes sitzen wir in der Sonne und genießen das enstpannte Flair. Ein paar Hundert Meter entfernt kann man sich direkt an der See eine Sauna mieten für Meetings oder Erholung. Einige dieser typischen estnischen Bauart aus schwarzen Holzschindeln sind zu Übernachtungen und Büros umgebaut worden, so dass man direkt am Meer, mitten in Tallinn, eine außergewöhnliche Übernachtunsgmöglichkeit oder tageweise ein Büro mieten kann.
Das Hotel liegt zentral zur Altstadt und zum neuen Teil, mit seiner modernen Einkaufspassage, die sich jedoch in keinster Weise von den vielen anderen weltweit unterscheidet. Da ist die Altstadt schon sehr viel interessanter und bietet zudem kleine, lokale Geschäfte mit regionaler Handwerkskunst, Lebensmitteln, Bekleidung,…
Am Abend geht es in ein angesagtes Weinrestaurant im Rotermannviertel, bevor sich dann am nächsten Morgen unsere Gruppe in alle Himmelsrichtungen gen Heimat aufmacht.
Estland war für mich eine Überraschung, ich bin ohne große Erwartung hingefahren und kam zurück mit dem Gefühl, dies ist ein Land ist in dem ich sehr gerne Naturreisen anbiete!
Daher beginnt jetzt der arbeitsintensive Teil, der Aufbau von Naturtouren im Sinne und der Philosophie von Perlenfänger…
Bleiben Sie gespannt und schauen gerne von Zeit zu Zeit hierzu auf meine Homepage.
Zu den Estlandtouren!