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Jürgen Vogler, der Betreiber des engagierten Blogs rund um den Wolf, „Wolfsmonitor“, fragte mich, ob ich Lust hätte auf ein Interview zu seinem  Themenblock „3 Fragen“. J. Vogler

 

3 Antworten von Sabine Bengtsson                                                             20. Januar 2016

Sabine Bengtsson, studierte Innenarchitektin, kündigte nach einigen Berufsjahren ihren Job und ihre Wohnung und verkaufte nahezu ihr gesamtes Hab und Gut, um sich auf eine Weltreise zu begeben. Die Eindrücke und ihre unmittelbaren Kontakte zu wildlebenden Tieren, zu Naturvölkern und den unterschiedlichsten Menschen, die sich für Natur und (Wild)Tiere engagieren, bewegten sie auf dieser Reise dazu, die Agentur „Perlenfänger – Naturreisen & Artenschutz“ zu gründen. Das besondere daran: Perlenfänger arbeitet während der angebotenen Touren mit passionierten Biologen und Naturführern zusammen, die gerade in Projekten für bedrohte Arten eingebunden sind. So wird den Reisenden ermöglicht, teilweise selbst in die Projekte „einzutauchen“. Besonders Wildpferde und Wildcaniden und insbesondere Wölfe haben es dabei der Perlenfänger-Gründerin angetan (*1). Wolfsmonitor hatte nun Gelegenheit zu einem Interview mit ihr:

WOLFSMONITOR: Frau Bengtsson, Sie betreiben bereits seit einigen Jahren die Reise- und Artenschutzagentur „Perlenfänger“. Wenn man sich darüber im Internet informiert, klingt das nicht nach ihrem Beruf sondern nach ihrer Berufung! Was macht die Agentur „Perlenfänger“ aus Ihrer Sicht so einzigartig?

Dazu kann ich Ihnen sofort gerne die wichtigen Hauptpunkte nennen:
Auf der Weltreise hat sich durch zufällige Begegnungen, gerade mit Wildpferden, Wildeseln, Wölfen und Wildhunden, mein Blick noch mehr geschärft genauer hinzuschauen, wie wir mit ihnen, der Natur und den Wildtieren umgehen!

Durch diese und weitere Reisen stieß ich immer wieder auf die Ambivalenz vieler Menschen, ihren Hund oder ihr Pferd sehr Wert zu schätzen, jedoch die wilden Verwandten manchmal regelrecht zu hassen. Als Beispiel: Ein australischer Farmer zeigte uns stolz seine Hütehunde und seine Arbeitspferde, sagte jedoch gleichzeitig: „Er würde jeden Dingo und jedes Wildpferd erschießen, dass sein Land betritt“.  Da wir dieses Denken auf nahezu jedem Kontinent erleben können, begann ich mich seitdem (1997) damit auseinander zu setzen. Gerade diese beiden Tierarten begleiten den Menschen am längsten und haben unsere kultur-geschichtliche Entwicklung maßgeblich geprägt. Ohne Pferde, Esel und Hunde stünden wir heute an einer weitaus geringeren Entwicklung. Jedoch ohne Wölfe und Wildpferde gäbe es diese Haustiere gar nicht. Gerade die großen Pflanzenfresser und Beutegreifer sind ein immens wichtiger Teil, wenn es um die Biodiversität geht. Aus den eben genannten Punkten, haben gerade sie es verdient, dass wir sie und ihren Lebensraum respektieren und schützen. Das machen ja bereits viele Naturschutzorganisationen großartig. Dennoch sind diese Tiere in sehr vielen Teilen der Erde verschwunden, oder stark bedroht!

Meiner Ansicht nach wird es erst komplett durch die Verbindung von respektvoll durchgeführten Naturtouren, die den Artenschutz unterstützen! Sie ermöglichen viele Projekte erst und ich bin davon überzeugt, dass Menschen eher bereit sind unsere Natur erhalten zu wollen, wenn sie sie wirklich erlebt haben, kennen, verstehen und Wert schätzen.

Auf meinen eigenen Reisen habe ich festgestellt, dass unter Naturreisen oft verstanden wird, Teilnehmern zu garantieren Wildtiere zu sehen. Da dann der Druck steigt, die Kunden zufrieden zustellen, werden unschöne Dinge gemacht, wie z.Bsp. das Anfüttern. Wir lernen bereits im Kindesalter am Ententeich oder Wildpark, das Wildtiere angefüttert werden. Mit dem Ergebnis, sie entweder zu würdelosen Bettlern zu machen, oder ihnen unerwünschtes Verhalten beizubringen. Auch hierzu lassen Sie mich kurz ein Beispiel nennen: In Australien nahm ich an einer Krokodiltour teil. Damit wir sie auch sehen, hängte man ein totes Huhn an eine Angel, circa 1 Meter über dem Wasser. Die Krokodile lernten aus dem Wasser zu springen und es zu schnappen. Alle konnten ein spektakuläres Photo machen und waren zufrieden. Doch es gab danach Unfälle, denn das Krokodil tat dies auch bei einem Angler mit seinem kleinen Ruderboot, wenn er seinen Fisch rauszog. Das Boot kenterte und auch der Angler wurde zur Mahlzeit. In der Presse wird dann von der „mordenden Bestie“ gesprochen. Es fällt kein Wort darüber, dass der Mensch der Verursacher war. Die Gleiche Verurteilung erleben wir bei Haien, Wölfen, sogar den Möwen an der See, die aggressiv Brötchen aus den Händen reißen, etc…

Diese Schlüsselerlebnisse durch mangelnden Respekt und dem Fokus Wildtiere auf Touren sehen zu wollen, bestärkten mich meine Naturreiseagentur zu gründen, die all das beachtet und mit Leuten zusammenarbeitet, die die gleiche Philosophie haben wie ich. Menschen ein authentisches, respektvolles Eintauchen in den Lebensraum zu ermöglichen, auch wenn es bedeuten kann, keines der erwarteten Wildtiere zu sehen, oder nur ihre Spuren!  Dafür jedoch ein zu 100 % echtes Naturerlebnis zu haben und durch die Touren Projekte zu unterstützen oder sogar zu initiieren! Wer, wenn nicht lokale Biologen und Naturführer, sind dafür besser prädestiniert, als vielfach ortsfremde normale Reiseleiter?! Deshalb wohnen unsere Teilnehmer auch nur in lokalen Gästehäusern. So bleibt das Geld dort wo es hingehört und bietet außerdem einen wichtigen Austausch zwischen den Einheimischen und den Teilnehmern. Im Idealfall wandelt sich sogar in der Bevölkerung das negative Bild über Wölfe, Wildpferde, … vom „Schädling“ zum Wildtier, auf das man stolz ist, weil dafür Menschen extra von weit her anreisen. Auch das verstehe ich unter nachhaltigem Naturtourismus! Tourismus kann ohne Frage viel zerstören, doch ihn respektvoll als positives Mittel unterstützend zum Artenschutz einzusetzen, erweitert den Horizont und schafft Verständnis unsere Natur auch für die nächsten Generationen zu erhalten. Darin sehe ich meine Herausforderung und Aufgabe mit Perlenfänger!

WOLFSMONITOR:  Sie arbeiten auf ihren Reisen oft mit Biologen zusammen, die gerade in Schutzprojekten eingebunden sind. Können Sie einige Projektbeispiele aufführen, in denen es dabei insbesondere um freilebende Wölfe ging?

Da gibt es einige Beispiele:
Peter Sürth ist ein anerkannter Wildtiermanagementbiologe. Sein Fokus ist das möglichst konfliktfreie Zusammenleben von Wolf, Bär, Luchs, Wildtier allgemein und dem Mensch. Wie kann das gehen? Was ist unser Teil daran, es den Tieren zu ermöglichen Seite an Seite mit den Menschen zu leben? Dafür ist er bereits mehrere tausend Kilometer durch Europa auf den Spuren der Wölfe gewandert und hat viele Jahre in Rumänien gearbeitet und gelebt. Die Menschen dort gehen sehr viel selbstverständlicher mit diesen Tieren um. Das können wir von ihnen lernen und daher ist es auch so spannend mit ihm auf unsere Touren nach Rumänien mitzukommen. Er hat mittlerweile einen Verein zum Miteinander von Mensch und Wildtier gegründet, bei dem es genau darum geht. www.human-wildlife.info

Dann fällt mir natürlich mein Partner aus Portugal ein. Pedro ist ein naturwissenschaftlicher Journalist und Naturschützer. Er und seine Frau waren die ersten in Portugal, die eine sehr beachtete Filmdokumentation über die iberischen Wölfe drehte. Es war die Erste in Portugal, bei der es um wildlebende Wölfe und nicht um Gehegewölfe ging. Das war vor über 14 Jahren und hat  maßgeblich den Blick in Portugal verändert, weg von der Bestie, hin zum Wolf, der in einer ähnlichen Familienstruktur lebt, wie der Mensch. Unsere Touren in Portugal sind ein weiterer wichtiger Baustein, um die Power zu haben, langfristig die lokale Bevölkerung davon zu überzeugen, dass ein lebender Wolf mehr Wert hat, als ein getöteter und seinen Platz haben muss in einem intakten Ökosystem!

Und natürlich nicht zu vergessen die Wolfstouren in der Lausitz in Zusammenarbeit mit Wolflandtours. Die Wolfsbiologin Cati Blum (auch freie Mitarbeiterin bei Lupus) und der Naturführer Stephan Kaasche sind unermüdlich, wenn es darum geht eine sachliche und wertfreie Sichtweise auf den Wolf herzustellen. Alles was auf der Tour an Losungen, Spuren, Sichtungen gemacht wird, fließt in das aktuelle, wissenschaftliche Wolfsmonitoring ein. Die Teilnehmer lernen etwas über  Spuren-, und Losungserkennung, oder werten mit ihnen Fotofallenbilder aus. Ein Teil des Tourpreises wird für weitere Anschaffungen wie Fotofallen verwendet, um die Touren noch informativer zu gestalten und wir geben einen kleinen Teil an Organisationen zum Schutz der Wölfe. Es hat sich herumgesprochen, dass wir kompetent, sachlich und wertfrei an das Thema Wolf herangehen, so dass auch immer mal wieder interessierte Jäger daran teilnehmen und hat uns sogar die Empfehlung von Greenpeace als „besonders empfehlenswert“ eingebracht.

Auch in Spanien haben meine Kooperationspartner ein Projekt gegründet zum Schutz und der Aufklärung zu iberischen Wölfen.

Mein schwedischer Kooperationspartner hat gerade erst erneut einen Eco-Award gewonnen, arbeitet mit dem Grimsö-Forschungsinstitut zusammen, bei dem die Teilnehmer auch in Kontakt zu einem Wolfsforscher kommen. Außerdem hat er, wie ich finde, ein phantastisches Projekt gegründet. Für jeden Tour-Teilnehmer wird ein 45 minütiger Schulbildungsvortrag in einer lokalen Schule gezahlt. Das Ziel der Veranstaltung ist für die Kinder ein tieferes Verständnis für die Bedeutung der Wildtiere und den natürlichen Wäldern zu gewinnen, zur Erhaltung eines gesunden Ökosystems.

Ich könnte dazu noch einiges schreiben, abschließend vielleicht noch ein wirklich wichtiges Projekt: In Afrika sind wir aktiv zum Schutz der afrikanischen Wildhunde. Extrem spannende, hochsoziale Tiere und dabei stark bedroht. Innerhalb von 100 Jahren, wurde 99% der Population ausgerottet. Durch Weiße, die ihre Vorbehalte gegen Wölfe aus Europa mitbrachten und auf den afrikanischen Wildhund übertrugen. Ich konnte letztes Jahr Greg Rasmussen, einen der weltbesten Biologen für afrikanische Wildhunde gewinnen und entwickelte zusammen mit einer Fundation eine Projektreise zu ihm nach Simbabwe, bei der der größte Teil der Toureinnahmen in das Schutzprojekt floss.

WOLFSMONITOR:  Wie sehen ihre Reiseplanungen hinsichtlich der Möglichkeit, freilebende Wölfe zu erleben,  im Jahr 2016 konkret aus? Wie können sich Interessierte näher über diese Vorhaben informieren?

Ich werde auf jeden Fall erneut zu meinen Kooperationspartnern nach Portugal und Spanien fahren und plane auch Schweden einen Besuch abzustatten. Da es die Heimat eines Teiles meiner Familie ist, kann ich es wunderbar kombinieren. Mein Traum wäre, die diesjährige Schutzprojekt-Tour nach Simbabwe zu den afrikanischen Wildhunden zu begleiten. Vor allem weil wir dieses Mal in mehreren Gebieten in Begleitung der Fundation unterwegs sein werden. Es hat leider letztes Jahr nicht geklappt, weil einfach zu viel vor Ort zu tun war.

Jeder der Lust hat mehr über uns, unsere Touren und unsere Philosophie zu erfahren, kann sich gerne auf meiner Homepage www.perlenfaenger.com informieren, oder mich auch gerne anrufen.

Vielen Dank, lieber Herr Vogler, für Ihre interessanten Fragen und Ihr Interesse!  

Frau Bengtsson, vielen Dank für das Interview!

 

Das Interview ist auch auf seiner Seite nachzulesen, im übrigen sind auch alle anderen Interviews lesenswert, wie überhaupt seine ganze Seite!